Schriftdolmetschen bei Gericht
Wann haben Menschen mit Hörschädigung Anspruch auf Kommunikationsunterstützung?
Wenn man den Briefkasten öffnet und einen gelben Brief mit einer gerichtlichen Ladung findet, kann das zu einem kurzen Schreckmoment führen, handelt es sich doch um eine förmliche Zustellung mit Zustellungsurkunde. Und man fragt sich unwillkürlich: Was will die Behörde oder das Gericht von mir?

Für mich bedeutet das zum Glück nicht, dass ich einen Mahn- oder Vollstreckungsbescheid bekomme oder gar als Beklagte vor Gericht erscheinen muss, sondern ich werde als Schriftdolmetscherin vom Gericht geladen.
In der Regel erreichen mich diese gelben Briefe aber nicht überraschend, sondern meist kläre ich die betroffenen Personen, Richter, Anwälte und Rechtspfleger im Vorfeld darüber auf, was es mit dem Thema Schriftdolmetschen bei Gericht auf sich hat.
Der Einsatz von SprachdolmetscherInnen, die bei Gericht aus dem Deutschen in eine Fremdsprache übersetzen und umgekehrt, ist den meisten Menschen bekannt. Sie werden immer dann herangezogen, wenn eine Partei oder ein sonstiger Verfahrensbeteiligter der sogenannten Gerichtssprache nicht mächtig ist.
Auch Menschen mit einer Hör- und/oder Sprachbehinderung haben bei Gericht ein Recht auf Kommunikationsunterstützung. Das regelt § 186 Gerichtsverfassungsgesetz.
(1) Die Verständigung mit einer hör- oder sprachbehinderten Person erfolgt nach ihrer Wahl mündlich, schriftlich oder mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person, die vom Gericht hinzuzuziehen ist. Für die mündliche und schriftliche Verständigung hat das Gericht die geeigneten technischen Hilfsmittel bereitzustellen. Die hör- oder sprachbehinderte Person ist auf ihr Wahlrecht hinzuweisen.
Hier denken die meisten Richter und Anwälte, aber auch Betroffene direkt an GebärdensprachdolmetscherInnen. Wenig bekannt ist, dass Menschen mit Hörbehinderung im Rahmen ihres Wahlrechtes auch Anspruch auf andere Formen der Kommunikationsunterstützung haben, z.B. durch uns SchriftdolmetscherInnen. Wir werden in der Regel für lautsprachlich orientierte hörgeschädigte Menschen tätig, auch bei Gericht.
Für welche Gerichte und Situationen gilt der Anspruch auf Schriftdolmetschen?
Hochgradig hörgeschädigte Menschen haben einen Anspruch auf Kommunikationsunterstützung, wenn sie Verfahrensbeteiligte sind, also Kläger, Beklagte oder Zeugen. Bei schwerwiegenden Straftaten gilt dies auch, wenn hörgeschädigte Menschen als Nebenkläger auftreten.

Grundsätzlich gilt das Gerichtsverfassungsgesetz für alle Gerichtszweige. Dazu gehören z.B. Arbeitsgerichte, Verwaltungsgerichte, Sozial- und Finanzgerichte aber auch der Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit; zu ihr zählen u.a. Familien-, Vormundschafts- und Nachlassgerichte.
Bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit sehen die Gerichte leider manchmal keine Verpflichtung, eine Kommunikationsunterstützung heranzuziehen. Das ist z.B. der Fall, wenn es um Themen wie Erbschein oder Grundbucheintragungen geht. Hier entscheiden meist die Rechtspfleger. Dann kann es hilfreich sein, wenn Betroffene die Ansprechpartner bei Gericht für ihre persönliche Situation sensibilisieren. Und wir SchriftdolmetscherInnen stehen dabei natürlich unterstützend zur Seite.
Wer trägt die Kosten fürs Schriftdolmetschen?
Das Gericht bzw. die Staatskasse übernimmt die Kosten. Geregelt wird die Kostenübernahme über die Kommunikationshilfeverordnung (KHV) und das Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) des Bundes. Die Kostenübernahme gilt dabei unabhängig vom Ausgang des Gerichtsverfahrens.

Aber Achtung: Hat ein hörgeschädigter Mensch die Kosten unnötig verursacht, z.B. weil er einem Termin ferngeblieben ist, dann muss er für die Dolmetscherkosten selbst aufkommen.
Sie haben Fragen zum Einsatz von SchriftdolmetscherInnen bei Gericht?
Sie wollen Ihrem Anwalt oder dem zuständigen Richter weiterführende Informationen zum Schriftdolmetschen zukommen lassen?
Dann freue ich mich auf Ihre Kontaktaufnahme.
Wer entscheidet über die Wahl der Kommunikationsunterstützung?
Der hörgeschädigte Mensch hat ein Wahlrecht, d.h. er entscheidet selbst, welche Art der Kommunikationsunterstützung er bei Gericht nutzen möchte, z.B. Gebärden- oder Schriftdolmetschen. Allerdings sucht das Gericht den oder die DolmetscherInnen selbst aus.
Beeidigung von SchriftdolmetscherInnen
Wer in einer gerichtlichen Verhandlung dolmetschen will, hat gemäß § 189 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) einen Eid zu leisten, dass er das gesprochene Wort „treu und gewissenhaft übertragen werde“.
Dieser Eid muss grundsätzlich für jedes Verfahren geleistet werden. Es gibt allerdings die Möglichkeit, sich auf einen allgemein geleisteten Eid zu berufen. Diese allgemeine Beeidigung dient einer Vereinfachung im Verfahren.
Es gibt deutschlandweit nur wenige SchriftdolmetscherInnen mit allgemeiner Beeidigung. Auch ich bin nicht allgemein beeidigt, da ich dies für die verschiedenen Bundesländer, in denen ich tätig bin, durchführen müsste. Das ist recht aufwändig, da jedes Bundesland unterschiedliche Regelungen und Voraussetzungen hat.
Entscheidend für das Dolmetschen bei Gericht ist neben der persönlichen Eignung die fachliche Eignung, also sichere Kenntnisse der juristischen Fachsprache. Diese Voraussetzungen erfüllen staatlich geprüfte SchriftdolmetscherInnen, aber auch zertifizierte SchriftdolmetscherInnen mit langjähriger Erfahrung im juristischen Bereich.

Schriftdolmetschen vor Gericht – wie läuft das praktisch ab?
Wenn Sie als hochgradig hörgeschädigter Mensch bei Gericht in den o.g. Fällen Kommunikationsunterstützung durch SchriftdolmetscherInnen wünschen, sprechen Sie im Vorfeld Ihren Rechtsanwalt, Richter oder Rechtspfleger an und teilen Sie Ihren Bedarf mit.
Das Gericht wird dann in der Regel geeignete SchriftdolmetscherInnen aus dem Umfeld beauftragen bzw. als DolmetscherInnen „laden“.
Vor Ort dolmetschen wir für Sie von deutscher Lautsprache in deutsche Schriftsprache. Unsere Mitschrift stellen wir Ihnen auf einem separaten Endgerät (Laptop oder Tablet) zum Mitlesen zur Verfügung.
Datenschutz und Verschwiegenheit sind für uns selbstverständlich und bei Gericht natürlich von noch höherer Relevanz.
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Bildquellen:
„Umschlag Förmliche Zustellung“ – Symbolbild von Kontextpartner, KI-generiert
„Bundesverwaltungsgericht“ by Qubes Pictures from Pixabay
„Auditorium“ by Mariakray from Pixabay
„Richterhammer“ by miami car accident lawyers from Pixabay