Im Dialog mit Schriftdolmetscherin Sonja Berger

von

„Grenzenlose“ Zusammenarbeit

Die Community der SchriftdolmetscherInnen in Deutschland ist überschaubar, namentlich sind einem die meisten KollegInnen bekannt. Über die Jahre hat sich ein Netzwerk entwickelt, mit dem ich bei Präsenzeinsätzen im Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg sehr gerne zusammenarbeite.

Neben dem Arbeiten vor Ort nimmt in den letzten Jahren das sog. Ferndolmetschen, d.h. über Internet, immer mehr Raum ein. Dieses Online-Dolmetschen erweitert die Möglichkeiten beim Schriftdolmetschen erheblich, was nicht nur unseren hörgeschädigten KundInnen zugute kommt. Auch für mich ist es nun möglich, mit KollegInnen – weit über Bundeslandesgrenzen hinweg – in Einsätzen gemeinsam zu arbeiten.

Und so hat sich in den letzten zwei Jahren eine intensive Kooperation zwischen uns SaarländerInnen im Südwesten der Republik und unserer Kollegin Sonja Berger aus Hamburg ergeben. Ich kenne und schätze Sonja durch die Arbeit im Bundesverband der Schriftdolmetscher*innen schon länger. Mittlerweile ist sie in unserem Kernteam fester Bestandteil und bei unseren Einsätzen nicht mehr wegzudenken, sei es online oder in Semi-Präsenz.

In einem Online-Plausch habe ich Sonja zu ihrer Arbeit, ihrer Entwicklung und ihren Wünschen als Schriftdolmetscherin befragt.

Liebe Sonja, wie bist Du zum Schriftdolmetschen gekommen?

Eines Samstagmorgen flatterte mir unbestellt und einmalig die Süddeutsche Zeitung ins Haus mit einem Artikel, der das Schriftdolmetschen als relativ junges Berufsbild darstellte. Frühstückstablett, Kaffee, Zeitung, die Entscheidung fiel von allein.

Kannst Du uns Deinen bisherigen Weg als Schriftdolmetscherin schildern?

Gelernt habe ich konventionelles Schriftdolmetschen beim Deutschen Schwerhörigenbund. Seither hat sich sehr viel getan. Technisch, aber auch unsere Einsatzbereiche werden weitaus vielfältiger von Jahr zu Jahr. Nicht zuletzt engagieren sich immer mehr hörgeschädigte Menschen in Gremien und qualifizieren sich beruflich immer weiter, übernehmen mehr Verantwortung. So entwickeln wir uns mit. Da sind wir quasi Kulturfolger. (lacht)

Hat sich in dieser Zeit Deine Arbeit wesentlich verändert?

Ja, technisch auf jeden Fall. Da ich aber schon mit ungewöhnlicheren Dolmetschbegleitungen, wie z.B. Begehungen von Kraftwerken gestartet bin, war ich den technischen Möglichkeiten gegenüber immer aufgeschlossen.

Wie haben sich auf diesem Weg die Grenzen Deines Wirkens verändert?

Nach der Ausbildung fängt man, überspitzt gesagt, fast bei Null an, zumindest bei mir war das so. Man hatte ausbildungsbegleitende Praktika, und wenn man wie ich einem bundesweiten Ausbildungsjahrgang war, kennt man auch bundesweit ein paar Kolleginnen, die auch gerade anfangen ihren Weg zu gehen. Und dann lernt man sukzessive Menschen kennen, die einen anfragen, ob man sie zu den unterschiedlichsten Anlässen begleitet. Hier gäbe es viel dazu zu sagen und dazu, dass man ganz wundervollen Menschen begegnet, manchmal auch mit Gegebenheiten kämpfen muss. Aber das machen wir vielleicht mal in einem anderen Rahmen. Das würde hier alles sprengen. 🙂 

Wo ich heute angekommen bin, könnte ich kaum zufriedener sein, denke ich. Aber ich billige der Zukunft zu, dass sie mich da noch weiter positiv überraschen kann und sicher auch wird.

Aber zurück zu Deiner Frage zu den Grenzen. Hier möchte ich lieber das Bild des Netzwerkes bemühen, welches sich inzwischen gesponnen hat und mich mit so vielen Menschen, die ich schätze und mag, sowie einer Unmenge an Wissensgebieten verbindet.

Welche Chancen und Herausforderungen bieten diese Veränderungen für Dich persönlich?

Zu viele um sie aufzuzählen, aber eines ist klar, in unserem Beruf geht nichts als Einzelkämpfer. Qualität sowie Zufriedenheit brauchen ein sehr gutes Team.

Wie können Deine Kunden davon profitieren?

Unsere Kunden profitieren von der sich immer weiter entwickelnden Professionalisierung unseres Berufes und unseren täglich wachsenden Kenntnissen und Fähigkeiten. Wir sind Experten für Hör-Barrierefreiheit in sehr vielen kommunikativen Anforderungssituationen, direkt vor Ort oder virtuell. „Hybride“ Einsätze sind für uns schon seit Jahren selbstverständlich.

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Machst Du manchmal auch kuriose oder ungewöhnliche Erfahrungen?

Als lustigste Situation ist mir im Kopf geblieben, dass bei einer größeren Veranstaltung in Schleswig-Holstein der gehörlose Referent sagte: „Heute in unserem Kreis ist Frau Berger mit Handicap. Wenn sie schreibt, kann sie nicht gebärden, weil sie nur zwei Arme hat“.

Welche Grenzen müssten aus Deiner Sicht noch überwunden werden?

Erstmal möchte ich ermuntern, immer wieder auf das Haben zu sehen, damit wir die Chancen und Anrechte, die wir haben, die geschaffen und verankert wurden, auch wirklich täglich nutzen.

Jeden Tag machen wir Begrenzungen, die gestern noch fast unüberwindbar waren, mit vielen Menschen gemeinsam ein Stück durchlässiger. Menschen lernen durch das Aufeinandertreffen miteinander umzugehen, lernen was es braucht, um erfolgreich und zufriedenstellend miteinander zu kommunizieren.

Sachbearbeiter, Chefs, Ärztinnen verstehen besser, was es braucht. Wir verstehen zunehmend, wie wir es besser erklären können und wonach wir fragen müssen.

Was wünschst Du Dir für die Zukunft?

Dass wir alle Grenzen zu Berührungslinien machen, die Innovation erzeugen.

Liebe Sonja,

ich danke Dir für Deine erfrischenden Antworten und den Blick über den Tellerrand.

Ich freue mich, mit Dir unser Herzensthema Schriftdolmetschen weiter in die Welt zu tragen – mit unserem Anspruch an Professionalität, aber vor allem mit unserem gemeinsamen Verständnis für einen fairen und wertschätzenden Umgang mit den Menschen, denen wir begegnen.

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Bildquellen:
© Sonja Berger und Kontextpartner – eigene Aufnahmen

Über die Autorin

Autorenportrait Carmen

Ich bin Carmen Hick.

Als Schriftdolmetscherin unterstütze ich Ihre Kommunikation – individuell und in Ihrem persönlichen Umfeld.