Schriftdolmetschen in der weiterführenden Schule

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Wie Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit Hörschädigung gelingen kann.

Kommunikation ist wie die Luft zum Atmen. Welch große Bedeutung sie in unserem Leben hat, erkennen wir erst, wenn sie fehlt oder eingeschränkt ist. In der Schule ist eine gelingende Kommunikation das A & O für den Bildungserfolg UND für das soziale Eingebundensein sowie das emotionale Wohlbefinden. Für Jugendliche mit eingeschränktem Hörvermögen ergeben sich dadurch im schulischen Alltag besonders große Herausforderungen.

Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit Hörschädigung, die an allgemeinen Schulen gemeinsam und damit inklusiv beschult werden, wächst seit einigen Jahren kontinuierlich. Dies trägt der UN-Behindertenrechtskonvention Rechnung (UN-BRK), die die Inklusion von Menschen mit Behinderung zum Ziel erklärt.

Auch Deutschland hat sich verpflichtet, die Inklusion umzusetzen, das gilt ebenfalls für den schulischen Bereich, wie es in Artikel 24 der UN-BRK festgelegt ist. Schulische Inklusion findet also häufiger statt – aber gelingt sie auch?

 

Hörschädigung und Inklusion

Lernende mit Hörbehinderung sind unter allen inklusiv Beschulten eine verhältnismäßig kleine Gruppe. Die aktuelle Inklusionsdiskussion wird meist aus fachübergreifender Perspektive geführt und deshalb erfahren spezifische Bedürfnisse hörgeschädigter SchülerInnen zu wenig Beachtung. Hinzu kommt, dass Hörschädigung eine unsichtbare Behinderung ist. Im schulischen Alltag übersehen und vergessen Lehrkräfte und MitschülerInnen häufig die Höreinschränkung und die damit verbundenen Folgen.

Inklusive Beschulung ist immer eine individuelle Biografie. Ob Schülerinnen und Schüler tatsächlich inkludiert beschult sind, hängt direkt mit der notwendigen Unterstützung zusammen. Es reicht nicht aus, nur räumlich gemeinsam zu lernen, die Kommunikationseinschränkung muss effektiv ausgeglichen werden.

Worauf kommt es an?

Viele Aspekte können berücksichtigt werden, damit SchülerInnen mit Hörschädigung der Schulalltag erleichtert werden kann. Einige sind einfacher umzusetzen als andere, aber gemein ist allen, dass sie nur erfolgreich und hilfreich sein können, wenn alle Beteiligten mit dem Wissen um das Thema Hörschädigung und der notwendigen Sensibilität und Offenheit agieren.

Aber was ist wichtig, damit Inklusion für Lernende mit Hörschädigung tatsächlich funktioniert?

Was man konkret tun kann

 

  • Einsatz von Übertragungsanlagen (für alle Redebeiträge)
  • Guter Sitzplatz für den hörgeschädigten Lernenden
  • Sicherung des Absehbildes (Lehrkräfte sprechen zum Schüler, nicht zur Tafel)
  • Gute Raumakustik, Reduzierung von Störgeräuschen
  • Visualisierung des Unterrichtsstoffs
  • Inhalte zusätzlich in Textform
  • Lehrerecho (Lehrkräfte wiederholen gegebenenfalls Schülerbeiträge)
  • Unterrichtsvideos mit Untertiteln
  • Nachteilsausgleich zur Kompensation behinderungsbedingter Nachteile
  • Und regelmäßig: Beratung, Information und damit Sensibilisierung aller beteiligten Akteure – Schulleitung, Lehrkräfte und MitschülerInnen – zum Thema Hörschädigung, z.B. durch die Fachkräfte des Mobilen Dienstes Hören

Schriftdolmetschen für den Inklusionserfolg

Berücksichtigt man die o.g. Aspekte, kann schulische Inklusion gelingen. Trotzdem bedeutet der Schullalltag für SchülerInnen mit Hörschädigung einen erhöhten Kraft- und Zeitaufwand im Vergleich zu ihren guthörenden MitschülerInnen. Darüber hinaus erbringen auch die Eltern eine hohe Inklusionsleistung, z.B. durch umfangreiche Unterstützung bei den Hausaufgaben.

Je komplexer und umfangreicher der Unterrichtsstoff wird, desto höher werden die kognitiven Anforderungen mit begleitenden Folgen wie Kopfschmerzen und Verspannungen, Müdigkeit, Erschöpfung und Niedergeschlagenheit.

Der Einsatz von Gebärden- und/oder SchriftdolmetscherInnen bietet hier eine gute Möglichkeit, diese Belastungen deutlich zu reduzieren.

Schriftdolmetschen in der Schule – wie funktioniert das?

In der Regel kommen wir SchriftdolmetscherInnen bei ausgewählten Fächern zum Einsatz. Wir begleiten Schülerinnen und Schüler aber auch über den ganzen Schultag. Für welche Fächer eine Unterstützung sinnvoll und notwendig ist, hängt immer von den individuellen Gegebenheiten ab, die wir im Vorfeld mit allen Beteiligten klären.

Unser Einsatz erfolgt entweder in Präsenz vor Ort, d.h. zwei DolmetscherInnen sind in der Klasse beim Unterricht anwesend und stellen dem Hörgeschädigten die Mitschrift über ein Tablet zum Mitlesen zur Verfügung. Oder wir begleiten die Schülerinnen und Schüler online, d.h. beide DolmetscherInnen sind per Internet zugeschaltet und dolmetschen aus der Ferne. Die Mitschrift kann ebenfalls über einen Laptop oder ein Tablet verfolgt werden. Präsenz- und Online-Dolmetschen können aber auch kombiniert werden (Semipräsenz), dann ist ein Dolmetscher im Klassenraum vor Ort, der zweite wird online zugeschaltet.

Schriftdolmetschen in der weiterführenden Schule

Schriftdolmetschen in der Schule – wie funktioniert das?

Ob in Präsenz, Semipräsenz oder komplett online gedolmetscht wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Voraussetzung für die Online-Zuschaltung der DolmetscherInnen ist neben einer stabilen Internetverbindung der Einsatz einer Mikrofon- bzw. Übertragungsanlage. Diese wird mit dem Laptop oder Tablet verbunden, über den die Tonübertragung an die SchriftdolmetscherInnen erfolgt. Alle Lehrkräfte und MitschülerInnen sprechen während des Unterrichts in diese Mikrofone.

Ist für den hörgeschädigten Schüler bereits eine Übertragungsanlage im Einsatz, kann diese meist unkompliziert für die Tonübertragung an die DolmetscherInnen genutzt werden. Ist noch keine Übertragungsanlage verfügbar, können wir leihweise Mikrofonsysteme zur Verfügung stellen.

Wir empfehlen aber dringend die Beantragung einer Übertragungsanlage mit einer ausreichenden Anzahl an Mikrofonen beim Kostenträger. Denn diese besonderen Anlagen können nicht nur zur Ton-Übertragung an die DolmetscherInnen genutzt, sondern direkt mit den Hörsystemen des Hörgeschädigten gekoppelt werden.
Werden die Mikrofone sowohl von den Lehrkräften als auch den MitschülerInnen regelmäßig verwendet, erhöht dies auch das Verständnis und die Akzeptanz für die Hörschädigung bei allen Beteiligten.

Sowohl beim Online-Dolmetschen als auch bei Semipräsenz-Einsätzen nutzen wir für Ton- und Mitschriftübertragung unsere DSGVO-konformen Serversysteme.
Durch das Online-Dolmetschen kann man in der Regel auf eine ausreichende Zahl an geeigneten SchriftdolmetscherInnen zurückgreifen. Dies gilt insbesondere für Fremdsprachen, wie z.B. Englisch, Spanisch und Französisch.

Laptop mit der Mitschrift im Englischunterricht

Schriftdolmetschen bei Fremdsprachen

Das Erlernen von Fremdsprachen stellt für Schülerinnen und Schüler mit Höreinschränkung oft eine große Herausforderung dar. Hier ist es besonders wichtig, das lautsprachlich Aufgenommene mit der Schriftsprache in Einklang bringen zu können.
Regelmäßig arbeiten SchriftdolmetscherInnen hier gemeinsam mit GebärdensprachdolmetscherInnen im Team. So können auch Schülerinnen und Schüler ohne oder mit geringem Hörvermögen Fremdsprachen umfänglich erlernen.

Sie haben noch Fragen zur inklusiven Beschulung und dem Einsatz von SchriftdolmetscherInnen im Schulalltag?

Fazit

Schriftdolmetschen kann neben vielen anderen Aspekten ein Gelingensfaktor für schulische Inklusion sein.

Dies ist aber kein Selbstläufer, sondern erfordert sehr viel Interaktion und Kommunikation aller Beteiligter.

Die technischen Möglichkeiten müssen im Vorfeld genau geprüft und berücksichtigt werden.

Bei Online-Zuschaltung bedarf es darüber hinaus einer engen Begleitung der hörgeschädigten Schülerinnen und Schüler über das reine Schriftdolmetschen hinaus.

Nur in Zusammenarbeit mit allen – Schulleitung, Lehrkräften, Inklusionsbeauftragten der Schule, Mobiler Dienst Hören, Kostenträger, Akustiker, Eltern und Hörgeschädigtem – können wir SchriftdolmetscherInnen unseren Beitrag zur Inklusion leisten. Und in dieser Umfänglichkeit verstehen wir unsere Arbeit.

Inklusion gelingt erst dann, wenn der Jugendliche mit Hörschädigung sich selbst inkludiert fühlt.

 

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Bildquellen:
© Kontextpartner – eigene Aufnahmen

Über die Autorin

Autorenportrait Carmen

Ich bin Carmen Hick.

Als Schriftdolmetscherin unterstütze ich Ihre Kommunikation – individuell und in Ihrem persönlichen Umfeld.